Westminster-Schlagwerk mit selbsttätiger Richtigstellung

“Westminster-Schlagwerk mit selbsttätiger Richtigstellung

Als wir in Nummer 4 dieses Jahrganges die Beschreibung und Abbildung eines Hausuhr-Westminster-Schlagwerkes »Agul« (der Aktiengesellschaft für Uhrenfabrikation in Lenzkirch) brachten, bemerkten wir am Schlusse jener Beschreibung, daß diese Firma beabsichtigte, ein Federzugwerk gleicher Konstruktion auf den Markt zu bringen. Heute sind wir nun in der Lage, diese Neuheit in Wort und Bild vor Augen zu führen. Wie bei dem erwähnten Hausuhrwerk, ist auch bei diesem Werk, das durch D. R.-Pat. Nr. 231 204 geschützt ist, die größte Einfachheit der Kadratur erreicht worden. Insbesondere sind die denkbar größten Zahnverhältnisse für Rechen und Schnecke gewählt worden, so daß nach dieser Richtung hin Störungen in der Funktion so gut wie ausgeschlossen sind. Außer-dem wird die Sperrung am Schöpferrade bewirkt, um Reibungsverluste beim Auslösen möglichst zu vermeiden. Der zur selbsttätigen Richtigstellung des Schlagwerks dienende Korrektionshebel, der auf dem langen Warnungshebel um einen Anrichtstift drehbar ist, besitzt auf der rechten Seite einen als Gegengewicht dienenden Arm, wodurch er nur durch seine eigene Schwerkraft funktioniert. Ferner hat die Vierviertel-Scheibe für die selbsttätige Richtigstellung des Schlagwerkes einen doppelten Einschnitt in der vierten Zahnlücke. Wir wollen nun die Wirkungsweise der Konstruktion kurzbeschreiben und nehmen dabei die in der (verkleinerten) Abbildung gezeigten Hebelstellungen an, die durch unregelmäßige Bedienung, falsche Zeigereinstellung oder dergleichen aus der Spielreihe gekommen sind und sich jetzt in der Korrektionslagebefinden. Die Doppelstufe der Vierviertel-Scheibe hat, weil die Spielmelodie nicht richtig war, die Nase des Korrektionshebels festgehalten, ihn zur Seite gestoßen und den Windfang durch den oberen Arm gesperrt. In dieser Stellung bleibt nun das Werk so lange stehen, bis der Korrektionshebel durch den hohen Auslösungsstift für die vollen Stunden über die Doppelstufe gehoben wird, wobei er durch sein Übergewicht über den hohen Rand der Vierviertelscheibe springt und das Werk wieder freigibt. Dadurch hat sich das Werk wieder richtig eingestellt, d. h. die Melodie des folgenden Schlages stimmt jetzt genau mit der Zeigerstellung überein. Ein besonderer Vorteil dieses Werkes ist, daß für den Viertellauf gar keine Federn oder lose Organe vorhanden sind, sondern nur feste Teile, die Störungen durch Verbiegen von Federn usw. vollständig ausschließe. Da nur ein einziger Hebel vorhanden ist, um die patentierte selbsttätige Richtigstellung des Schlagwerkes zu bewirken, so dürfte bei dieser Neuheit der Höhepunkt in der Einfachheit der Konstruktion wohl erreicht sein. Von großer Bedeutung sind auch die bei diesem Federzugwerk gewählten Kraftverhältnisse; denn ein Westminster-Schlagwerk hat während der Gangzeit von annähernd neun Tagen eine große Arbeitsleistung zu verrichten. Dabei muß die motorische Kraft während dieser ganzen Zeit ziemlich gleichmäßig sein. Diese Punkte sind bei dem vorliegenden Werke voll und ganz berücksichtigt, so daß ein kräftiger Schlag und flotter Gang gewährleistet wird. Dieses neue Federzug-Westminsterwerk »Agul« eignet sich sowohl für Regulateure, als auch für moderne Hänge- und Standuhr-Gehäuse. Der Gongschlag ist in diesen Uhren ebenso wie bei den Hausuhren nach Art des Glockenspiels der Westminster-Abtei in London wundervoll abgestimmt; der Viertelschlagerfolgt auf vier verschieden gestimmte Stäbe, während die volle Stunde in einem Akkord ebenfalls auf vier gestimmten Gongstäben ertönt. Selbstverständlich läßt sich das gleiche Werk auch ohne Westminsterschlag verwenden, wobei alsdann der Schlag wie bei den gewöhnlichen Vierviertel-Uhren auf zwei oder drei harmonisch abgestimmten Federn erfolgt. Wir zweifeln nicht, daß dieses Werk, welches durch die vorzügliche Konstruktion sowie durch die tadellose Ausführung dem Namen »Lenzkirch« alle Ehre macht, auch bei den Fachleuten volle Anerkennung finden wird.”

Deutsche Uhrmacher-Zeitung 1911 (XXXV. Jahrgang, No. 16, Seite 269)