“Die Generaldirektion der Gebrüder Junghans A.-G. schreibt uns unter obigem Titel folgendes; Als wir vor reichlich einem Jahre die Aktien der Lenzkircher Uhrenfabrik übernahmen, ergab die Untersuchung, daß die Fabrik insofern falsche Wege gegangen war, als sie die alt-berühmte Lenzkircher Tischlerei aufgegeben hatte, um die Gehäuse von allen möglichen Seiten zu beziehen, während sie die teure handwerksmäßige Herstellung der Lenzkircher Uhrwerkebeibehalten hatte, ohne jedoch die nötige Sorgfalt auf die Qualität zu verwenden. Wir glaubten, die Fabrik dadurch wieder zu einem nützlichen Glied der Uhrenindustrie machen zu können, daß wir ihr wieder eine eigene Schreinerei mit besonderer Berücksichtigung der aparten Spezialartikel in gediegener Ausführung angliederten, während wir die Werke nach modernen Grundsätzen durchkonstruierten, um dann die Bestandteile in den Hauptfabriken in Schramberg und Freiburg herzustellen und sie mit aller Sorgfalt und unter Berücksichtigung der von Lenzkirch erwarteten Qualität dort zusammenbauen zu lassen. Die Erfahrung eines Jahres zeigte nun aber, daß damit Lenzkirch nicht wieder hochgebracht werden kann, weil der Uhrenhandel die hohen Preise, die für die Lenzkircher Werke alter Qualität verlangt werden müssen, infolge des scharfen Konkurrenzkampfes nicht mehr bezahlen kann, umso mehr als die Konkurrenz in aparten Spezialuhren, nämlich Berger & Würker, Leipzig, Schönfeld, München, und Ziegler jun., Bamberg, dazu übergegangen waren, ihre Uhren in der Hauptsache mit Werken Schramberger und Freiburger Qualität zu versehen und damit keinerlei Anstände hatten. Es mußte daraus der Schluß gezogen werden, daß der Uhrenhandel auf die naturgemäß viel teureren Lenzkircher Werke keinen besonderen Wert legt, sondern daß ihm auch ein Werk Schramberger oder Freiburger Qualität für diese Uhrenart genügt, wenn es nur einwandfrei funktioniert. Diese Erkenntnis erforderte eine nochmalige Umstellung von Lenzkirch. Der ganze Betrieb wurde aufgelöst, um ungehindert von vorne anfangen zu können. Beibehalten wurde nur die Schreinerei, und es fügte sich glücklich, daß wir für ihre Leitung einen Mann gewinnen konnten, der die Gewähr dafür bietet, daß Lenzkirch auf dem Uhrenmarkte wieder eine wertvolle Rolle spielen und eine vielempfundene Lücke ausfüllen kann. Am 1. Oktober wird nämlich Anton Ziegler, Bamberg, der seine eigene Fabrikation aufgibt, die Leitung von Lenzkirch übernehmen. Seine im Uhrenfache als bahnbrechend bekannten Entwürfe zusammen mit seinen praktischen Erfahrungen im Schreinereibetrieb und seinen auf der Uhrmacherschule und in der Praxis erworbenen Kenntnissen in der Uhrmacherei bürgen dafür, daß durch die nun mehr in Lenzkirch hergestellten Spezialgehäuse, die mit den Werkendes Junghans-Konzerns versehen werden, alle Wünsche der Uhrmacher nach gutgehenden und aparten Uhren in Form und Ausstattung befriedigt werden. Der Verkaufsapparat in Lenzkirch wird aufgelöst, und der Verkauf wird von der Organisation Junghans übernommen, um dadurch den Preis der Uhren zu verbilligen. Die Lenzkircher Fabrikate, welche die altberühmte Lenzkircher Marke tragen werden, dürften dadurch bald wieder infolge ihrer Originalität in Form und Ausstattung und durch ihre Preiswürdigkeit den früheren Rang im Uhrenfache einnehmen. Wir wissen, daß jeder Uhrmacher, dem die gute Tradition unseres Gewerbes am Herzen liegt, mit Aufmerksamkeit die Geschehnisse in Lenzkirch verfolgt. Nicht die Schlechtesten sind es, welche die Fabrik liebgewonnen haben. Sie sollen wissen, daß auch in Zukunft der Qualitätsgedanke in Lenzkirch gepflegt wer-den soll, allerdings in einer anderen Form; denn wir dürfen nicht vergessen, daß wir heute auch in einer anderen Zeit leben. Der neue Form- und Qualitätswille unserer Zeit, der nicht etwa eine neue Mode, sondern eine neue Gesinnung ist, wird uns bei unserer Arbeit leiten, und wir hoffen, dadurch mit gütiger Unterstützung der Abnehmerkreise die alte Lenzkirch-Fabrik soweit zu bringen, daß ‘neues Leben blüht aus den Ruinen’.”
Deutsche Uhrmacher-Zeitung 1929 (Jahrgang 53, Nr. 37, Seite 689)