Preisabsprachen

Ein weiterer Schritt zur Besserung.

Als wir in den letzten beiden Nummern der Zeitung, auf die Vereinigung der Schwarzwälder Regulateurfabrikanten hinweisend, die anderen Kreise der Uhrenfabrikation und des Uhrenhandels zu ähnlichen Vereinigungen aufforderten, um der immer mehr sich verbreitenden Preisschleuderei energisch entgegenzutreten, glaubten wir nicht, dass es uns so bald vergönnt sein würde, von weiteren ähnlichen glücklichen Erfolgen berichten zu können. Soeben geht uns aber die erfreuliche Nachricht zu, dass zwei unserer ersten deutschen Firmen der Uhrenfabrikation, die Firma Gustav Becker zu Freiburg i. Schl, und die Aktiengesellschaft für Uhrenfabrikation in Lenzkirch (Baden) durch ihre Vertreter, die Herren Richard Becker einerseits und Herrn H. Stritt andererseits, in einer in-Leipzig abgehaltenen Besprechung sich zur Innehaltung gleichmässiger Preise vereinbart haben. Wir haben bereits darauf hingewiesen, wie traurig sich unter den jetzigen Zuständen in den letzten Jahren die Verhältnisse in der Fabrikation der Regulatoren und im Geschäft mit denselben gestaltet haben, wie sehr die Preise gegenseitig gedrückt wurden, und wie arg unter diesem Drucke sowohl die Arbeiter und ihre Familien, als auch in natürlicher Folgedavon die Qualitäten der Produkte zu leiden hatten. Mochte der reelle Fabrikant auch das Missliche der Lage fühlen, Fabrikate unter seiner

Firma in die Welt gehen zu lassen, die durchaus nicht immer den Anforderungen der Solidität entsprachen; er allein konnte hier nichts ändern, er musste sich dem Drucke der zwingenden Verhältnisse beugen. Bei den miserabeln Preisen, welche er unter den obwaltenden traurigen Zuständen seinen Arbeitern nur noch zahlen konnte, lag die Versuchung für diese gar zu nahe, die Arbeiten leichtfertig auszuführen und die einzelnen Theile, wie man sagt, nur durchzuschlagen — zu überhudeln— so wehe dies auch manchem tüchtigen und gewissenhaften Arbeiter gethan haben mag, und oft genug waren die Visiteure genöthigt, beide Augen zuzudrücken, um nur für den Arbeiter den für seine und seiner Familie Erhaltung durchaus nothwendigen Lohn zu ermöglichen. Jeder unserer Kollegen weiss ein Lied davon zu singen und vermag von dem Aerger zu erzählen, den er in den letzten Jahren selbst mit den ersten Fabrikaten — wie Becker’sche und Lenzkircher — hatte. Von den geringeren ganz zu schweigen. Jeder weiss, dass er über die Fehler und Nachlässigkeiten, die er in den Uhren vorfand, und die ihm so viel Verdruss bereiteten, sich damit hinwegsetzen musste, dass er sich sagte: bei den Spottpreisen, die für die Uhren heutzutage bezahlt werden und bei dem äusserst geringen Nutzen, welchen sowohl die Fabrikanten als die Grossissten mit ihrem Kapital und der angestrengtesten Thätigkeit davon haben, ist es eben nicht anders möglich. — Kein verständiger Mensch und namentlich kein Uhrmacher, der ein Herz für sein Fach hat, wird solche Verhältnisse billigen wollen, sondern er wird nur eine baldige Wendung derselben zum Bessern wünschen können. Von dieser Ueberzeugung durchdrungen und von dem lebhaftesten Eifer und besten Willen beseelt, haben die Eingangs genannten Firmen nachmehrtägigen schwierigen Unterhandlungen schliesslich durch ihre Vertreter „als ehrliche Makler“ einen bindenden Vertrag vereinbart. Nach demselben sind für Wecker und Federzug-Regulatorwerke gewisse Minimal-Preise festgesetzt, unter welchen keine dieser beiden Firmen vom 18. September d. J. an bei 2000 Mark Konventionalstrafe zu verkaufen sich verpflichtet. Das etwaige Strafgeld soll in die Arbeiter-Versorgungs- oder Krankenkasse fliessen. Die Ehrenhaftigkeit beider Häuser bürgt für die gewissenhafte Erfüllung der Vertrags-Verbindlichkeiten. Die vereinbarte Preiserhöhung musste mit Rücksicht auf die in- und ausländische Konkurrenz naturgemäss eine ganz bescheidene sein (wie wir hören, soll der Aufschlag ca. 10% betragen. D. Red.), und konnte es sich selbstverständlich auch nicht darum handeln, einen Aufschlag herbeizuführen, der gewissermassen als Ausbeutung des Publikums hätte an-gesehen werden können; eine solche Absicht war bei keinem der Kontrahenten vorhanden. Die Hauptsache für sie war, einerseits durch das gute Beispiel der vorhandenen Einigkeit der ersten deutschen Uhrenfabrikanten auch auf andere wohlthätig zu wirken und andererseits einen, wenn auch vorerst nur ganz bescheidenen Anfang zur Gesundung der Uhrenindustrie zu machen.

Wir freuen uns aufrichtig über diesen neuen Schritt zur Anbahnung besserer Verhältnisse in unserem Berufe, von dem wir gleichzeitig hoffen, dass er durch sein Beispiel zur weiteren Nachahmung Anlass geben wird, und dass sich auch die Vertreter der übrigen Zweige der Uhrenfabrikation zu gleichem Vorgehen vereinigen. Die geringe Vertheuerung der Fabrikate, welche aus diesen Vereinbarungen hervorgeht, ist so unerheblich, dass sie auf den Verkauf der Uhrmacher an das Publikum von keinem nachtheiligen Einfluss sein kann, sie setzt die Fabrikanten aber in die Lage, gute Waare herzustellen und ihren Arbeitern auskömmliche Löhne zu zahlen — sie ist eben das allererste Erfordernis, wenn über-haupt von der Möglichkeit eines Besserwerdens die Rede sein soll. Dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen und durch die vereinigten Fabrikanten nicht eine ungemessene Steigerung der Preise zum Schadender Uhrmacher vorgenommen werden kann, dafür ist schon durch die viel-seitige Kokurrenz gesorgt, die ja immer regulirend auf die Preise wirken wird. Irgendwelche Befürchtungen nach dieser Seite hin dürfen also nicht gehegt, es muss im Gegentheil erwartet werden, dass diese Vereinbarungen der Fabrikanten unsere Erwerbsverhältnisse ganz allgemeinheben und stützen werden. Wir hoffen daher, dass unsere Herren Kollegen in richtiger Würdigung der Sachlage und in Erkenntnis ihres eigenen Vortheils nach Kräften zum Gelingen und zur Durchführung der angebahnten Reform beitragen werden.

Deutsche Uhrmacher-Zeitung 1887 (XI. Jahrgang, No. 19. Seite 145-146)